
Im heutigen Türchen möchte ich eure Aufmerksamkeit einmal besonders auf die Situation von Menschen mit Behinderung richten.
Viele von uns kennen die allgemeinen Menschenrechte der UN. Auch die Kinderrechte sind vielen bekannt. Weniger bekannt ist, dass es auch ein „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ gibt, auch bekannt als UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Am 3. Mai 2008 trat das Übereinkommen in Kraft, nachdem 20 Staaten unterschrieben hatten. Deutschland hat die UN-Konvention am 24. Februar 2009 ratifiziert.

Die UN-BRK ist keine Spezialkonvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, sondern sie konkretisiert die allgemeinen Menschenrechte aus anderen Menschenrechtsübereinkommen für die Situation von Menschen mit Behinderungen. Warum das gemacht wurde? Weltweite gibt es die Erfahrung, dass Menschen mit Behinderungen nicht ausreichend vor Diskriminierung und Ausgrenzung geschützt worden sind – und immer noch werden. In Entwicklungsländern, aber genauso in der EU und in Deutschland.
In der UN-BRK stehen also Punkte, die für viele Menschen selbstverständlich sind – aber eben nicht zwangsläufig auch für Menschen mit Behinderungen.
Konkret geht es um Punkte wie z.B.
- Gleichberechtigung und Nicht-Diskriminierung (Art. 5)
- Besonderen Schutz von Frauen und Kindern mit Behinderung (Art. 6 und 7) – Kinder sollen z.B. gleichberechtigt mit anderen Kindern alle Menschenrechte und Grundfreiheiten zustehen
- Bewusstseinsbildung (Art. 8) – das Bewusstsein für Menschen mit Behinderungen und ihre Fähigkeiten soll geschärft, Klischees und Vorurteile bekämpft werden
- Zugänglichkeit (Art. 9) – das meint den Zugang zu Wohnhäusern, Ämtern, Schulen, Arztpraxen, Krankenhäusern, Arbeitsplätzen, Transportmitteln, Straßen, usw. sowie die Zugänglichkeit von Notdiensten, Informations- und Kommunikationsdiensten inkl. Gebärdendolmetscher

- Recht auf Leben (Art. 10)
- Gefahrensituationen und humanitäre Notlagen (Art. 11) – soll den Schutz und die Sicherheit von Menschen mit Behinderungen in Konflikten, humanitären Notlagen, Naturkatastrophen sicherstellen
- Gleiche Anerkennung vor dem Recht sowie Zugang zur Justiz (Art. 12 und 13) – umfasst, „dass Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen gleichberechtigt mit anderen Rechts- und Handlungsfähigkeit genießen.“
- Freiheit und Sicherheit der Person, Freiheit von Folter oder grausamer, unmenschlicher odererniedrigender Behandlung oder Strafe (Art. 14 und 15) – Menschen mit Behinderung wird die Freiheit nicht willkürlich entzogen, insbesondere ist ein Freiheitsentzug alleine wegen einer Behinderung nicht gerechtfertigt. Niemand darf ohne seine freiwillige Zustimmung medizinischen/wissenschaftlichen Versuchen unterworfen werden.
- Freiheit von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch (Art. 16)
- Schutz der Unversehrtheit der Person (Art. 17) – „Jeder Mensch mit Behinderungen hat gleichberechtigt mit anderen das Recht auf Achtung seiner körperlichen und seelischen Unversehrtheit.“
- Freizügigkeit und Staatsangehörigkeit (Art. 18) – Menschen mit Behinderung haben das gleiche Recht auf Wahl des Aufenthaltsortes, Freizügigkeit zwischen den Staaten und den Erwerb und Wechsel einer Staatsangehörigkeit
- Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gesellschaft (Art. 19) – Menschen mit Behinderung dürfen wählen, wo und mit wem sie wohnen. Sie sind nicht verpflichtet in besonderen Wohnformen zu leben. Sie haben Zugang zu Unterstützung inkl. persönlicher Assistenz.
- Persönliche Mobilität (Art. 20) – stellt die möglichst unabhängige Mobilität sicher

- Recht auf freie Meinungsäußerung, Meinungsfreiheit und Zugang zu Informationen (Art. 21) – für die Allgemeinheit bestimmte Informationen sind auch Menschen mit Behinderung zur Verfügung zu stellen, in einer geeigneten Form und ohne zusätzliche Kosten. Im Umgang mit Behörden sind Brailleschrift, Gebärdensprache und alternative Formen der Kommunikation zu akzeptieren zu fördern. Informationen und Dienstleistungen sind für Menschen mit Behinderung zugänglich und nutzbar zu machen.
- Achtung der Privatsphäre sowie Achtung der Wohnung und Familie (Art. 22 und 23) – unabhängig von der Wohnform haben Menschen mit Behinderung das Recht auf Privatsphäre. Menschen mit Behinderung haben das Recht zu heiraten und eine Familie zu gründen.

- Bildung (Art. 24) – gefordert wird ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen. Menschen mit Behinderung werden nicht wegen der Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen. Das Recht schließt auch den Zugang zu Hochschulbildung, Berufsausbildung, Erwachsenenbildung und das Erlernen lebenspraktischer und sozialer Kompetenzen ein.
- Gesundheit; Habilitation und Rehabilitation (Art. 25 und 26) – Menschen mit Behinderungen haben den gleichen Zugang zu Gesundheitsdiensten und Rehabilitation
- Arbeit und Beschäftigung (Art. 27) – meint „die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird.“

- Angemessener Lebensstandard und sozialer Schutz (Art. 28) – dazu gehören angemessene Ernährung, Bekleidung, Wohnung und Lebensbedingungen, z.B. auch der gleichberechtigte Zugang zu sozialem Wohnungsbau oder der Altersversorgung
- Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben (Art. 29) – Menschen mit Behinderung haben die gleichen politischen Rechte. Sie können wählen und gewählt werden, Parteien beitreten und Interessenorganisationen gründen und beitreten.

- Teilhabe am kulturellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport (Art. 30) – das umfasst Zugang zu kulturellem Material, Fernsehprogrammen, Filmen, Theater, Museen, Kinos, Kunst, Bibliotheken und Tourismusdiensten, zu Denkmälern und Kulturstätten. Darin eingeschlossen ist auch die Förderung und Anerkennung der Gehörlosenkultur. Ebenso haben Menschen mit Behinderungen gleichberechtigten Zutritt zu Sport-, Freizeit- und Erholungsangeboten
- usw.
Wie wir in der Story zum Thema „Nicht ohne uns – Klimaschutz und Behinderung“ gesehen haben, sind diese Rechte selbst in Deutschland nicht durchgängig umgesetzt. – Obwohl wir in einem gut entwickelten und finanziell gut gestelltem Land leben.
Ich lade euch daher ein, in eurem Alltag, eurem Umfeld achtsamer zu sein. Was ist für alle zugänglich? Was nicht? Wo entdeckst du förderliche Aspekte? Was hindert Menschen an gleichberechtigter Teilhabe?
Die gesamte UN-Konvention könnt ihr hier nachlesen: Link
Die UN-Konvention in leichter Sprache gibt es hier: Link
Und DGS-Videos zur UN-Konvention gibt es hier: Link
Quellenangaben:
- Deutsches Institut für Menschenrechte: „Die UN-Behindertenrechtskonvention“, unter https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/das-institut/monitoring-stelle-un-brk/die-un-brk (Zugriff am 19.12.2022)
- „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“, unter https://www.behindertenrechtskonvention.info/uebereinkommen-ueber-die-rechte-von-menschen-mit-behinderungen-3101 (Zugriff am 19.12.2022)

Eine Story von: Stephanie
Stephanie schreibt ehrenamtlich für die WWF Jugend Community. Sie ist im Redaktions- und Aktionsteam. Auch du kannst hier mitmachen – melde dich gerne bei uns.